Energieversorgung als Grundrecht – Verfassungsgericht stärkt Rechte der Verbraucher

26. Januar 2021

Die Energieversorgung als ein Grundrecht wurde erst mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gesetzlich festgeschrieben. Vorausgegangen sind internationale Abkommen (Sozialpakt) sowie Richtlinien der EU. Diese müssen daher ins deutsche Rechtssystem integriert werden. Hintergrund ist eine zunehmende Energiearmut sowohl in Deutschland als auch weltweit. Was viele Verbraucher nicht wissen: Eine Sperrung der Energieversorgung ist in den meisten Fällen nicht möglich.

Energie als Luxus?

Die Versorgung mit Energie (Strom, Gas, Wasser und Heizung) wird zunehmend als Menschenrecht betrachtet. Damit wird die Energieversorgung gleichgestellt mit ausreichender Nahrung und Zugang zu frischem Wasser.

Gestiegene Energiepreise haben dazu geführt, dass viele Menschen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Mit Stand 2012 waren in der EU 54 Millionen Menschen, das sind immerhin 11 Prozent aller EU-Bürger, von Energiearmut betroffen.

Gerichte stärken Rechte von Betroffenen

Lange Zeit wurde die Energieversorgung lediglich als eine Dienstleistung angesehen und in der Rechtsprechung als solche behandelt. Ohne Zahlung kein Strom – so die gängige Devise.

Im Jahre 2010 sollte sich dies ändern. Mit einem Urteil vom 9. Februar 2010 wurde vom Bundesverfassungsgericht eine neue Rechtsgrundlage geschaffen:

„1. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.“ (BverfGE 125, 175)

Dabei geht die Rechtsprechung davon aus, dass nur zahlungswillige und kooperationsbereite Personen diesen besonderen Schutz genießen.

Was bedeutet für Verbraucher?

Das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichtes ist kein Freibrief für säumige Zahler. Vielmehr muss der Verbraucher darlegen, warum er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann und im Vorfeld eine Lösung (z. B. Ratenzahlung) anbieten.

Es gibt eine ganze Reihe von Situationen, die eine Sperrung der Energieversorgung ausschließen.

Hierzu gehört das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. So stellt eine längerfristige Sperrung des Stroms eine Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums dar. Zudem ist der Energielieferant verpflichtet, alle Umstände, von denen er Kenntnis hat, abzuwägen. Das machen die Unternehmen in der Regel nicht. Schon aus dieser Unterlassung ergibt sich die Rechtswidrigkeit einer Stromabschaltung.

Einen weiteren Aspekt stellen die Härtefälle dar. So ist es praktisch unmöglich, eine Familie mit kleinen Kindern von der Energieversorgung oder Heizung abzukoppeln. Auch Personen, die dringend auf Strom angewiesen sind (z. B. für medizinische Geräte), ältere und sonstige schutzbedürftige Menschen, genießen einen besonderen Schutz.

Vor dem Hintergrund der in nationales Recht umgesetzten EU-Rechtsprechung ergibt sich die Tatsache, dass die Unterbrechung der Energieversorgung in den meisten Fällen einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält. Voraussetzung ist stets eine rechtzeitige und kooperative Zusammenarbeit mit dem Versorgungsunternehmen und die grundsätzliche Bereitschaft, die ausstehenden Beträge zu bezahlen.

Sollten Sie von einer angedrohten Abschaltung der Energieversorgung betroffen sein, ist es ratsam, rechtzeitig einen Anwalt aufzusuchen. Dieser kann dann schon im Vorfeld agieren und die beabsichtigte Unterbrechung in den allermeisten Fällen abwenden.

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